Digitales Europa – Abkehr vom Bargeld rückt näher
Bargeld verliert an Einfluss
Münzen und Geldscheine könnten dementsprechend schon bald ein Relikt vergangener Tage werden. Nicht nur, dass sie in der Post-Corona-Welt technologisch überholt und altbacken scheinen würden, zudem wären sie weiterhin eine Gefahrenquelle, da nicht klar ist, wann die Corona-Pandemie wirklich vorüber ist. Dementsprechend ist durchaus realistisch, dass Social-Distancing und andere Vorsichtsmaßnahmen auch auf längere Zeit noch Gültigkeit haben werden.
Im Gegensatz zu den USA und Asien, die Innovationen und neuen Entwicklungen generell offener gegenüberstehen, ist Europa eher traditionell und konservativ eingestellt. Durch die Krise drängt sich der Wandel nun aber geradezu auf, also wenn nicht jetzt, wann dann?
Selbst hier in Deutschland, wo Bargeld essentieller Bestandteil des alltäglichen Lebens ist, haben die Kartenzahlungen im Zuge der Corona-Krise erstmals Bargeldzahlungen übertroffen. Treibende Kraft für diesen Sinneswandel sind allen voran gesundheitliche Bedenken, bei der Nutzung von Bargeld. Diese Annahme wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass mehr als die Hälfte aller Kartenzahlungen in Deutschland inzwischen kontaktlos getätigt werden. Vor der Krise waren es nur knapp 35 % aller Kartenzahlungen. Mittelfristig wird das Bargeld bei uns zwar nicht so schnell verschwinden, jedoch ist mehr und mehr erkennbar, wo die Reise hingeht.
Unabhängig von der Krise hatte sich in den letzten fünf Jahren ohnehin schon der Wert der Kartenzahlungen stetig gesteigert. Während 2013 in Deutschland noch 4,5 Mrd. Euro mit Karte gezahlt wurden, waren es 2018 immerhin schon 7,8 Mrd. Euro.
Die Technologie-affine jüngere Generation treibt diesen Wandel umso stärker voran, da sie ohne Vorbehalte auch Zahlungen per Smartphone oder Kryptowährung tätigt.
Kryptowährungen und Digitalwährungen als Alternative
Trotz des erfolgreichen deutschen Weges bei der Verlangsamung der Ausbreitung ist die Zahl der Corona-Infektionen inzwischen auf über 170.000 Personen angestiegen, wodurch die Notwendigkeit alternativer Lösungsansätze immer größer wird. Dies gilt aber nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere Länder, weshalb Regierungen auf der ganzen Welt vermehrt auf Blockchain-Projekte und die Entwicklung eigener Zentralbank-Digitalwährungen setzen.
Bereits Ende 2019 war deutlich geworden, dass es einen Bedarf für Digitalwährungen gibt, weshalb Regierungen ihre Haltung zu Krypto und Blockchain inzwischen merkbar geändert haben. So sind Digitalwährungen nicht mehr nur eine scheinbare Spielerei für Nerds, sondern eine ernstzunehmende Technologie, die das bestehende Finanzsystem in vielerlei Hinsicht besser machen kann.
Zu dieser Einsicht kommt inzwischen auch die deutsche Politik, die im Dezember 2019 ein Gesetz verabschiedet hat, das vorsieht, dass jedes Unternehmen, das mit Kryptowährungen arbeitet, bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine entsprechende Genehmigung als Krypto-Verwahrer beantragen muss.
Die Welt öffnet sich für den Wandel
In Sachen eigener Zentralbank-Digitalwährung eilt China derweil voraus. So werden im Reich der Mitte bereits erste Testläufe mit einem digitalen Yuan absolviert, an denen sich auch die dortigen Ableger namhafter Firmen wie McDonald’s, KFC und Starbucks beteiligen.
Allerdings ist die Nutzung von Digitalwährungen keine reine Zukunftsmusik, denn vereinzelt kann bereits mit Kryptowährungen wie Bitcoin (BTC) gezahlt werden. Die Fastfoodkette Burger King ist bekannt dafür, als einer der ersten Konzerne Zahlungen in Form von Bitcoin angenommen zu haben. So konnten in den Niederlanden schon im Jahr 2016 die ersten hungrigen Kunden ihre Burger mit der Kryptowährung bezahlen. Wenig später waren auch in Deutschland Bitcoin-Zahlungen über die Webseite und Smartphone-App von Burger King möglich.
Immer mehr Europäer sind überzeugt, dass Digitalwährungen nicht nur eine bloße Modeerscheinung sind. Diese Einschätzung ist durchaus berechtigt, denn Blockchain und Krypto haben das Potenzial, das Finanzsystem grundlegend zu ändern. So können sie nicht nur dafür sorgen, dass Zahlungen für Einzelpersonen und Unternehmen kostengünstiger und effizienter werden, sondern sie können auch Finanzintermediäre in vielen Bereichen überflüssig machen und für einen direkteren Zugang zu Geld sorgen.
Auch in der Europäischen Union wächst deshalb das Interesse an Zentralbank-Digitalwährungen und Stablecoins, wobei Malta eine Führungsrolle in Sachen Krypto-Gesetzgebung übernommen hat.
Selbst die Europäische Zentralbank (EZB) spielt inzwischen offen mit dem Gedanken eines digitalen Euros. Anfang des Jahres hatte EZB-Chefin Christine Lagarde dementsprechend gesagt, dass ihr Institut eine tragende Rolle bei der Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Digitalwährung spielen will, da eine CBDC umso wichtiger ist, wenn „die Nutzung von Bargeld nachlässt“.
Vom Trend zur Realität
Laut einer Umfrage der Kryptobörse BitFlyer sind unter 10.000 Europäern aus 10 verschiedenen Ländern knapp zwei Drittel der Meinung, dass Kryptowährungen nicht wieder von der Bildfläche verschwinden werden.
Darüber hinaus liegt es ohnehin immer mehr im Trend, Kryptowährungen zu kaufen, weshalb sich viele Krypto-Unternehmen bemühen, den Zugang so leicht wie möglich zu gestalten. So können Kryptowährungen inzwischen auch über Kreditkarten erworben werden.
Die Vorbehalte gegenüber Kryptowährungen werden immer geringer, was durch die momentane Lage nur noch beschleunigt wird. Digitale und kontaktlose Zahlungen gehören schon jetzt zum Alltag und das Potenzial der Blockchain-Technologie, unser Finanzsystem nachhaltig zu revolutionieren, wird zunehmend offensichtlich.
Die Ansichten und Meinungen in diesem Artikel stammen allein vom Autor und decken sich nicht zwangsläufig mit den Ansichten von Cointelegraph.
Alex Axelrod ist Geschäftsführer und Gründer von Aximetria und Pay Reverse. Alex ist ein erfahrener Unternehmer, der mehr als zehn Jahre lang bei einem der führenden Finanzdienstleister gearbeitet hat.