Influencerin erhebt schwere Vorwürfe gegen “Welt”-Redaktion: “Rücksichtslos und unmoralisch”
Die Welt schrieb, dass Sie während des ersten Gesprächs immer wieder “zur Seite” geschaut und später offenbart hätten, dass dort Ihr Lebenspartner saß, der Ihnen zugehört und “Stichworte” gegeben haben soll, was Sie sagen sollen. Waren Ihre Antworten auf das Interview wirklich von Ihrem Lebenspartner vorgegeben?
Navina Heyden: Diese Aussage ist komplett falsch. Ich habe während des Gesprächs meinen Partner einmal gebeten, mir eine meiner Antworten zu bestätigen. Die restliche Zeit war er mit sich selbst beschäftigt. Mein Partner spricht zudem nicht so gut Deutsch und kann mir daher unmöglich zuhören geschweige denn mir Stichpunkte vorgeben, die ich sagen soll. Dazu kann sich auch mein Partner äußern.
Die Stimmung in der zweiten Diskussionsrunde soll laut der Welt “rau” gewesen sein. Ihr Lebenspartner soll sogar einen Reporter “angebrüllt” haben, dass sich dieser für seine kritischen Kommentare über Xi Jinping zu entschuldigen habe. Was hat es mit diesen Vorwürfen auf sich?
Dieser Vorwurf ist falsch. In unseren Gesprächen haben wir uns auch überhaupt nicht über Xi Jinping unterhalten.
Mein Partner hat Maximilian Kalkhof kritisiert, da dieser sich noch nicht für seine Desinformationen über China entschuldigt hat, was vom chinesischen Pressekodex vorgeschrieben ist. Xi Jinping wurde gar nicht besprochen.
In unserem Vorgespräch erwähnten Sie, dass die Welt-Journalisten Ihnen versichert hatten, aus dem zweiten Videogespräch ohne Rücksprache mit Ihnen nichts zu zitieren, jedoch sollen diese sich nicht an diese Absprache gehalten haben. Was genau haben die Welt-Journalisten gesagt und welches Material haben sie aus dem zweiten Video verwendet? Wie hat Sie dieser mutmaßliche Vertrauensbruch getroffen?
Die Journalistin hat mir per E-Mail versichert, dass das Gespräch ein “Hintergrundgespräch” sein soll und dass sie also ohne Rücksprache nicht daraus zitieren, sondern etwaige Zitate mit dem jeweiligen Teilnehmer abstimmen. Nun wurde außer mir kein anderer Teilnehmer angeschrieben und ich sollte alle Zitate (auch die, die ich nicht gesagt habe) autorisieren. Da ich den Journalisten keine Zustimmung gegeben habe, dachte ich, dass sie nichts aus den Gesprächen veröffentlichen werden. Sie haben mich nicht direkt zitiert, sondern paraphrasiert, was ich nach deren Meinung gesagt habe. Jedoch ist ihre Darstellung von meinen Aussagen sehr einseitig und entspricht nicht dem, was ich tatsächlich gesagt habe.
Ich bin Welt-Artikel wird der angeblich ungewöhnlich schnelle Anstieg Ihrer Twitter-Follower thematisiert. Recherchen eines gewissen “Instituts für Strategischen Dialog” hätten “Hinweise auf koordinierte Aktivitäten” unter Ihren Followern ergeben. Hatten Sie jemals Kontakt zu staatlichen oder privaten Stellen, um die Anzahl der Twitter-Follower künstlich zu steigern oder sind Ihnen solche Versuche in Bezug auf Ihr Twitter-Profil bekannt? Hat die Welt mit Ihnen die Analyse des Instituts für Strategische Studien geteilt und Sie um eine Stellungnahme gebeten?
Ich wusste weder von solch einer Analyse noch von diesem Institut. Die Journalisten haben in keinem einzigen Satz auch nur irgendwas davon erwähnt bzw. mich vorgewarnt. Bezüglich dieser Analyse wurde ich auch nicht um Stellungnahme gebeten. Ich habe lediglich ein paar Fragen ohne Kontext bezüglich meiner Twitter-Follower erhalten, die ich innerhalb von zwei Tagen beantworten musste.
Zu staatlichen oder privaten Stellen habe ich keinen Kontakt und ich habe nie irgendwas gemacht, um meine Followeranzahl künstlich zu steigern. Von solchen Möglichkeiten habe ich schon mal was gehört, jedoch habe ich mich damit nicht beschäftigt.
Haben Sie mittlerweile die Anzahl Ihrer Twitter-Follower überprüft, um festzustellen, ob es tatsächlich einen ungewöhnlichen Anstieg gab?
Meine Follower habe ich ehrlich gesagt noch nicht überprüft und ich weiß auch nicht wirklich, wie ich das machen soll.
Die Welt schreibt, dass Ihr angebliches “Onlinenetzwerk” Ihnen “Türen” im “analogen Leben” zu öffnen scheint. Die Zeitung erwähnt Ihre Teilnahme als “Pressevertreter” an einer Konferenz der chinesischen Botschaft im Mai dieses Jahres zu Xinjiang. Zudem verweist die Zeitung darauf, dass Sie im Juni auf Twitter den anstehenden Antritt Ihres Lebenspartners an eine akademische Stelle als assoziierter Professor in China verkündet hatten. Solche Professuren, schrieb die Welt, erhalte “man üblicherweise nach einer Habilitation und mehreren Jahren Lebenserfahrung”. Zudem nennt sie den Vorgang eine “überraschende Beförderung”. Kam der neue Job wirklich so plötzlich für Sie und was hat es mit den nicht ausgesprochenen, nur angedeuteten Vorwürfen auf sich, dass die Ernennung Ihres Lebenspartners möglicherweise nicht auf seine eigenen Qualifikationen, sondern auf Ihren Twitter-Aktivismus zurückzuführen sei?
Den Teil mit den “Pressevertretern” habe ich Tina Kaiser bereits eindeutig auf Twitter erklärt und sie hat dies auch gesehen (in meiner Gegendarstellung finden Sie dazu auch den Verknüpfung). Ich wurde als Gast zu einer Videokonferenz über Xinjiang eingeladen und durfte sogar ein paar Freunde mitbringen. Ich habe auch klar bestätigt, dass es sich bei der Konferenz nicht um eine Pressekonferenz handelte und die Welt wahrscheinlich deshalb nicht eingeladen wurde.
Der neue Job von meinem Partner war weder überraschend noch auf meinen Twitter-Aktivismus zurückzuführen. Diese Vorwürfe sind absolut unbegründet und grenzen in meinen Augen schon an Verleumdung. Mir sind auch keinerlei Umstände bewusst, die diese Vorwürfe bestätigen.
Die Bewerbung hat ein halbes Jahr in Anspruch genommen und hat auch keine Habilitation erfordert.
Sie sollen angeblich eine Anfrage der Welt zu dieser “Beförderung” mit Verweis auf Ihre anstehenden Klausuren abgelehnt haben. Was ist der Hintergrund dieser Beschuldigung?
Ich habe nichts abgelehnt. Mir wurde nach anderthalb Monaten Stille von den Journalisten wie aus dem Nichts ein Fragebogen mit Zitaten geschickt, die ich innerhalb von zwei Tagen beantworten musste. Wofür sie diese Fragen brauchten, wusste ich nicht. Unter den Fragen war auch eine bezüglich des Jobs meines Partners. Was das mit unseren vorherigen Gesprächen zu tun hatte und warum sie mich statt meinen Partner angesprochen haben, war mir damals ein Rätsel. Da diese Fragen alle sehr seltsam waren und ich zu dieser Zeit Klausuren geschrieben habe, habe ich um mehr Zeit gebeten, was aber sofort abgelehnt wurde.
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass Sie an so prominenter Stelle im Artikel zur angeblichen chinesischen Desinformation behandelt werden?
Meiner Meinung nach liegt das daran, dass ich eine der wenigen Deutschen bin, die regelmäßig den negativen Inhalten zum Thema China auf Twitter widerspricht. Hinzu kommt, dass viele andere Menschen in meiner Position wahrscheinlich nicht so naiv einem Interview zustimmen würden, da sie wissen, dass viele Medien in Deutschland die Sachverhalte häufig nicht neutral bzw. nicht faktenbasierend und grundlegenden journalistischen Ansprüchen gerecht behandeln.
Ich hatte gehofft, durch das Interview für mehr Aufklärung in der Kommunikation China-bezogener Themen in deutschen Medien zu sorgen und auf Missstände in deutschen Medien hinzuweisen. Jetzt bin ich sehr enttäuscht darüber, wie wenig auf meine Meinungen und Wünsche eingegangen wurde und auch wie hinterlistig und verantwortungslos mit meiner Ehrlichkeit und Gutgläubigkeit umgegangen wurde. Die Reporter hatten sich ihre Story schon vorher ausgedacht. Was sie von mir wollten, waren nur selektive, kontextbefreite Gesprächsfetzen, die ihre bereits zuvor festgelegten Narrative unterstreichen würden. Alles andere, wie zum Beispiel meine Kritik an der Darstellung Chinas in den deutschen Medien, wurde einfach ignoriert oder blind verworfen und nicht konstruktiv diskutiert.
Wie bewerten Sie den Umgang der Welt-Redaktion mit Ihnen insgesamt?
Furchtbar. Mir wurde gesagt, dass dieser Artikel darum ginge, wie China in deutschen Medien dargestellt wird. Auf meine Argumente und meine Beweise für die Sichtweise wurde nie eingegangen und ich wurde über rein gar nichts informiert. Ich wusste weder von der ISD-Analyse noch was überhaupt über mich geschrieben wurde. Einen Einblick habe ich nie bekommen. Was mich aber am meisten anwidert, ist, dass ich der Journalistin ausdrücklich gesagt habe, dass ich und meine Familie genau wegen solcher Desinformationen über mich bedroht werden und trotzdem hat die Welt im vollen Bewusstsein darüber, dass dies mich und meine Familie gefährden würde, diesen Artikel veröffentlicht. Dabei bin ich weder ein Promi noch ein China-Experte, sondern einfach nur eine normale Studentin mit China-Erfahrung. Dass die Journalisten so rücksichtslos und unmoralisch handeln würden, hatte ich nicht erwartet.
Sie erheben schwere Vorwürfe gegen die Welt. Welche Schritte planen Sie jetzt, um sich gegen die mutmaßlichen Fehltritte der Welt-Redaktion zu wehren?
Ich bin zurzeit auf der Suche nach einem Anwalt, der mich in dieser Sache vertreten kann, da ich mich rechtlich gegen das Vorgehen der Welt wehren möchte. Dies wurde mir durch die großzügigen Spenden vieler Mitmenschen ermöglicht. Ohne diese Unterstützung durch meine Community könnte ich mir gar nicht erträumen, gegen die professionellen Teams von Anwälten großer Mainstreammedienhäuser anzutreten.
Leider habe ich bis jetzt noch keinen Anwalt gefunden, der diesen Fall annehmen möchte. Ich vermute, das liegt primär an den politischen und beruflichen Konsequenzen, die mit so einem Fall in einem westlichen Land verbunden sein können. Aufgrund dieser Umstände wehrt sich wahrscheinlich grundsätzlich auch kaum jemand gegen diese Art von Desinformation. Trotzdem werde ich nicht aufhören, über meine Situation zu berichten. Ich finde, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, zu erfahren, mit was für Methoden diese Journalisten mitunter ihre Artikel schreiben. Auch wie wenig dabei wirklich auf eine faire und balancierte Darstellung der Fakten geachtet wird, sollten mehr Leute wissen.
Wie ist die Situation für jene, die nicht das westliche Mainstream-Narrativ zu China oder Russland teilen? Hatte Ihr Aktivismus negative Konsequenzen für Sie?
Natürlich hat es negative Konsequenzen, wenn man sich öffentlich zu politischen Themen äußert und dabei nicht die von der Mehrheit vertretene Meinung teilt. Jedoch glaube ich, dass es insbesondere bei öffentlichen Diskussionen zu Ländern, die im Fokus der US-amerikanischen Propagandastrategie stehen, noch mal schwieriger ist. Das liegt daran, dass wir ununterbrochen von Medien und Politikern eingetrichtert bekommen, wie autoritär, undemokratisch und unfreiheitlich alle nicht mit den USA direkt verbündeten Länder im Gegensatz zum “freien” Westen sind. Ich beschränke mich in meinen Diskussionen natürlich ausschließlich auf China, weil ich zu diesem Land einen großen persönlichen Bezug und viele Erfahrungen habe.
Bestimmte schwerwiegende Anschuldigungen des Westens gegen China zu hinterfragen läuft häufig darauf hinaus, dass man mit Holocaust-Verleugnern und Nazis in eine Schublade gesteckt wird. Viele westliche Medien und Politiker haben China ohne Nachweise von Schuld und ohne Prozess als schuldig erklärt und verbreiten falsche Tatsachenbehauptungen. Die Menschen, die diesen Medien und Politikern vertrauen, glauben nun, dass diese unbelegten Anschuldigungen bewiesene Tatsachen sind.
Ich wurde aufgrund meiner Skepsis von prominenten Personen als Nazi bezeichnet, als Propagandist für China und vieles mehr. Meine privaten Daten sowie die Daten meines Partners wurden veröffentlicht. Twitter-User haben sich als mich ausgegeben und mich ins Lächerliche gezogen. Es wurden gefälschte Bilder und Tweets, die meinen Partner als Dschihadisten darstellen, an seinen Arbeitgeber geschickt (mit der Absicht, ihn gekündigt zu bekommen). Die “Beweise” hierfür wurden bereits von der Polizei als gefälscht bestätigt. Ich weiß, dass ich nicht die Einzige bin, die für ihre Meinung belästigt und bedroht wird, da mich bereits viele Personen mit privaten Nachrichten kontaktiert haben, um mir von ihren Erfahrungen zu erzählen und mich in meiner Rolle als Person, die sich für freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und China einsetzt, zu ermutigen.
Mehr zum Thema – Die Rede und die Propagandisten – Was deutsche Medien aus Xi Jinpings Rede machen