Die Corona-Krise der Linken — RT DE
13 Mأ¤r. 2021 14:17 Uhr
von Susan Bonath
Wenn die Mächtigen von “Solidarität” und “Schutz der Schwachen” reden, ist etwas faul. Das tun sie nun seit über einem Jahr. “Corona” heißt der Titel ihrer Story, unter der sie positive Ergebnisse beim Nachweis des Virus und die damit drohende Gefahr zu versterben subsumieren – als Grundlage einer globalen Angst-Propaganda. Was niemand zählt: Das globale Elend wächst rasant. Die Zahl der Hungertoten explodiert, während Impfstoff produzierende Pharmakonzerne, Finanzoligarchen und Onlinehandel-Giganten Gewinne scheffeln. Allein dies führt die Mär von Solidarität und Gesundheitsschutz ad absurdum. Spätestens hier müsste jeder, der sich links verortet, aufhorchen und beginnen, die Geschichte zu hinterfragen. Warum passiert das augenscheinlich nicht?
Sozialkritik an der Oberfläche – wichtige Fragen werden nicht gestellt
Es ist nicht so, dass die Partei Die Linke, andere linke Gruppen und Sozialverbände sich nicht kritisch geben würden. Zum Beispiel echauffierte sich die neue Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow kürzlich auf Spiegel-Nachfrage über den sogenannten Masken-Skandal: CDU-Abgeordnete hatten sechsstellige Summen bei der Beschaffung medizinischer Masken durch den Bund kassiert. Ein Untersuchungsausschuss müsse her. Man möchte sie fragen, warum ihre Kritik nicht tiefer geht. Sie hätte sich zum Beispiel fragen können: Hat die Maskenpflicht in Schulen, Bahnen, Einkaufszentrum und vielerorts im Freien vielleicht auch etwas damit zu tun? Es ist doch wirklich nichts Neues, dass es in einer kapitalistischen Wirtschaft um nichts anderes als Profite machen und Geld scheffeln geht. Die Rendite muss eben sprudeln.
Linke und Sozialverbände klagen tatsächlich allerlei soziale Missstände an: etwa, dass Hartz-IV- und Sozialhilfe-Bezieher keine Mittel haben, sich zusätzlich mit den überall geforderten medizinischen Masken einzudecken. Dass der mickrige Satz, deklariert als Existenzminimum, natürlich nicht ausreicht, um steigende Preis zu kompensieren. Sie kritisierten auch, wie jedes Jahr, die im Corona-Jahr eins weiter gewachsene Armut und entrüsteten sich über einen exorbitanten Mangel an Notunterkünften für immer mehr Obdachlose, die miserablen Löhne für Pflegekräfte und den anhaltenden Notstand im Gesundheitssystem. Just an die Wurzel gehen sie nicht. Die Fragen, die sich für eine Linke hier geziemen würden, lauten:
Sind die Dauermaßnahmen evidenzbasiert? Es gibt inzwischen genügend Studien und kritische Stimmen, auch aus der Medizin, die das bestreiten. Welche Kollateralschäden produziert das global nahezu identische Vorgehen, und warum werden diese nicht erfasst? Rutschen wir in eine digitale Überwachungsdiktatur? Und ganz banal: Was macht es eigentlich mit armen Familien, wenn ihre Kinder andauernd wegen einzelner Positivtests in Schulen und Kitas in 60-Quadratmeter-Plattenbauwohnungen isoliert werden? Schützt man damit wirklich die Risikogruppen? Und: Wer verdient eigentlich an der Krise, und ist tatsächlich nur die COVID-19-Pandemie ihr Auslöser? Nach einem geschlagenen Jahr sollten solche Fragen drin sein.
Wo ist die internationale Solidarität geblieben?
Doch es regt sich nichts. Statt das Geschehen zu hinterfragen, fordern nicht wenige Linke sogar härtere Maßnahmen und mehr Lockdown. Die Forderung nach Zero COVID ist nur die Spitze des Eisbergs dieser Auswüchse. Man reibt sich verwundert die Augen: Hat sich “die Linke” mit dem profitierenden Großkapital und der auf dessen Kurs schiffender Regierung gemein gemacht?
Mit dem Narrativ, Solidarität mit den Alten und Vorerkrankten zu üben, ist dies nur zum Teil erklärbar. Zumal die Widersprüche offensichtlich sind. Trotz aller Maßnahmen starben “an oder mit” Corona vor allem Senioren in Altersheimen. Es ist zu erahnen, dass striktes Isolieren Hochbetagter von der Außenwelt und jedem zwischenmenschlichen Kontakt wohl auch jede Menge Tote produzieren kann. Es ist medizinisches Grundwissen, dass psychischer Stress, unter dem die Menschen seit einem Jahr stehen, anfälliger für Infektionen und andere Erkrankungen macht.
Längst ist es kein Geheimnis mehr, dass die Lockdowns viele Millionen Menschen weltweit ins absolute Elend gestürzt haben. Hunger grassiert längst nicht mehr nur in den armen Ländern des Südens. Auch in den USA, in Süd- und Osteuropa breitet sich die Not aus. Die Schlangen vor Armenspeisungen werden länger und länger. Auch Elend tötet, nicht erst seit Corona. Wer, wie Die Linke, stets und oft die internationale Solidarität mit allen Abgehängten betont, darf die Abgehängten nicht ignorieren. Zu den schützenswerten vulnerablen Gruppen gehören nicht nur über 80-jährige Senioren.
Eingebunden ins politische System und fehlende Analyse
Die Ursachen für den aktuellen Kurs der Linken dürften tiefer liegen. So können auch linke Politiker mit Mandaten und Posten heute trefflich Geld verdienen. Die Führungskader von Partei und Sozialverbänden sind in der Regel gut integriert in das politische System der Bundesrepublik. Es ist vorprogrammiert, dass sie aus Eigeninteresse daran festhalten. Das linke Wissen über kapitalistische Ökonomie und Politik spielt immer weniger eine Rolle im Diskurs. Es geht wohl auch verloren. Das führt zur Entpolitisierung und Moralisierung der Debatte. Es geht nicht mehr um Klassenpolitik, sondern darum, ein “guter Mensch” zu sein. Die Verhältnisse als Ganzes werden nicht mehr analysiert.
Klassen existieren in dieser Vorstellungswelt nicht mehr. Über Eigentumsverhältnisse wird nur selten diskutiert. Dass Herrschaft und Unterdrückung auf diesen basiert, dass es nach wie vor Klassen gibt, ist zwar Fakt, doch es ist kein Thema mehr. Die Linke bedient stattdessen kleine identitäre Gruppen mit speziellen Wünschen. Das ist sicherlich auch wichtig, doch die unterdrückte Klasse als Ganzes bleibt auf der Strecke. Da zählt der Hartz-IV-Bezieher, der aus Verzweiflung mal die AfD gewählt hat, plötzlich nicht mehr zur Zielgruppe der Linken. Man unterstellt sogar dem Staat, nach linker Analyse eigentlich das Machtorgan der Reichen und Mächtigen, eigentlich nur unser Bestes zu wollen.
Dabei meinen es wohl viele Linke nicht einmal böse. So heißt es selbst aus den Reihen kommunistischer Organisationen, dass ein wirtschaftlicher Shutdown dem Kapital doch schade. Der Haken an diesem Zirkelschluss ist folgender: “Das Kapital” gibt es nicht. Es gibt nur Unternehmen, die miteinander um Profite konkurrieren. Wer am effektivsten ausbeutet und so die höchsten Profite einheimst, möglichst viele Konkurrenten in die Pleite treibt oder aufkauft und am schnellsten wächst, gewinnt.
Geldpolitik als Indikator: Die Krise war vor Corona da
Was Linke eigentlich wissen sollten: Ewiges Wachstum bei gleichzeitigem Ersatz von Lohnarbeit durch Maschinen und daraus resultierender Massenverarmung kann nicht endlos gut gehen. Das leuchtet auch ein, ohne bei Karl Marx nachgelesen zu haben. So berichten Medien seit Jahren immer wieder von gigantischer Überproduktion: Neue Autos verrotten auf riesigen Parkplätzen, Milch wird vernichtet, Butterberge verrotten, die Märkte sind voller Ladenhüter, die irgendwann in der Müllpresse landen. Kurzum: Die Eigentümer bleiben auf ihren Waren sitzen, die Profite hören auf zu sprudeln, Beschäftigte werden entlassen. Es kommt zu zyklischen Wirtschaftskrisen, die sich zuspitzen. Die gegenwärtige Krise war lange vor Corona da.
Ein guter Indikator für eine schwere Krise ist die Geldpolitik. Zum Beispiel senken die Zentralbanken weltweit seit Jahren ihre Leitzinssätze. Der europäische stagniert seit 2016 bei null, der japanische bei minus 0,1 Prozent, der Schweizer sogar auf minus 0,75 Prozent. Die US-Zentralbank Fed senkte ihren Satz zu Beginn der COVID-19-Pandemie noch einmal von 1,25 auf 0,25 Prozent. Andere Zentralbanken, darunter die britische, die australische, die kanadische und die israelische, zogen nach. Schon während der Finanzkrise 2008/2009 waren die Leitzinsen global in den Keller gestürzt. Anstiege gab es seither kaum. Und die Talfahrt geht weiter.
Corona-Management zugunsten globaler Großkonzerne
Der Grund: Wenn die Überproduktion steigt, Profite nicht mehr realisiert werden können und mehr Menschen das Einkommen für den Konsum fehlt, lassen sich Kapitalanlagen immer schwerer gewinnbringend verwerten. Unternehmen investieren nicht mehr, viele flüchten in die Spekulation, kleine Firmen gehen pleite.
Das ist die große Chance für multinationale Großkonzerne, die Märkte abzugrasen. Sie kaufen Betriebe auf oder übernehmen mit billigeren Produkten ihren Absatzmarkt. Massen werden arbeitslos und verarmen, das Kapital konzentriert sich, Monopole entstehen, deren Ziel auf der Hand liegt: Marktbereinigung.
Wo die Arbeitslosigkeit wächst, kann auch der Staat immer weniger abschöpfen. Er braucht das Geld jedoch, um seine militärische Macht zu erhalten, den Arbeitsmarkt zu managen und Unruhen zu verhindern. Deshalb spülen die Zentralbanken billiges Geld auf den Markt, die Banken vergünstigen in der Folge ihre Kredite. So will man Unternehmen zum Investieren bewegen, um die Krise abzuwenden. Das gelingt immer weniger.
In dieser Lage, mehr noch: vor einem befürchteten Kollaps des gesamten Finanzsystems befand sich vor Corona die gesamte Weltwirtschaft. Das daraus resultierende Eigeninteresse zukunftsträchtiger globaler Großkonzerne, etwa der Hightech-, Pharma- und Rüstungsindustrie, liegt auf der Hand: Es gilt, die Märkte zu den eigenen Gunsten zu bereinigen, Konkurrenz auszuschalten. Es ist zu erahnen: Die “Corona-Krise” kam diesen Interessen gerade recht.
Die Mär von der unpolitischen Wissenschaft
Die gegenwärtige Linke scheint diese ökonomische Realität auszublenden. Damit verbunden hat sie sich wohl auch in dem Glauben verfangen, “die Wissenschaft” – womit hier wenige staatsnahe Experten gemeint sind – sei völlig unabhängig und verfolge keinen wirtschaftlichen und politischen Eigeninteressen.
Dem ist nicht so: Wissenschaftler, ob vom Staat oder einem Konzern angestellt, bekommen Gehalt für ihre Arbeit und meistens Fördermittel für die Forschung. Es wäre naiv anzunehmen, die Interessen der Arbeitgeber spielten keine Rolle. Die Wissenschaft war nie unpolitisch und ist es nicht, mag sie auch noch so sachlich und augenscheinlich unbeeinflusst daherkommen. Ein kritischer Blick ist angebracht. Und eigentlich war Wissenschaftskritik einstmals linkes Terrain.
Die Linke beruft sich zudem, so wie auch die etablierte Wissenschaft, auf den Materialismus. Es ist verlockend, sie daher in die Rolle einer Hüterin der reinen Wahrheit emporzuheben, die über allem stehe und unanfechtbar sei. Doch wo die Wissenschaft, wie in Corona-Zeiten, die Linie des neuen Maßnahmenstaats vertritt, und die Linke sich unkritisch auf ihre Seite schlägt, finden sich Linke plötzlich an der Seite der politischen Eliten wieder statt an der Seite der Entrechteten.
Linke wehren sich gegen Linken-Kurs
Doch die gegenwärtige Nähe linker Organisationen zum herrschaftlichen Corona-Dogma stößt nicht bei allen Linken auf Gegenliebe. Eine neue Gruppierung namens “Freie Linke” ruft auf ihrer Webseite “alle freien Menschen, die sich noch an Freiheit und Menschenrechte als linke Ideale erinnern” dazu auf, dem offiziellen Kurs etwas entgegenzusetzen und sich in ihren Landes- und Regionalgruppen zu beteiligen.
Die Gruppierung findet demnach: “Kapitalistische Strukturen, unverhältnismäßig autoritäres Regierungshandeln und eine Linke, die sich ausschließlich auf Identitäts- und Symbolpolitik beschränkt, können keine adäquaten Antworten auf die in der COVID-19-Pandemie sichtbar gewordenen globalen Missstände in Zeiten von massivem Umbruch liefern.” Man setze sich für den Aufbau einer freien und gerechten Gesellschaft ohne Unterdrückung und gegen demokratiefeindliche Maßnahmen ein.
An der etablierten Linken lässt die Gruppe “Freie Linke” kaum ein gutes Haar: Statt sich einzubringen, bekämpfe diese die demokratische Widerstandsbewegung gegen autoritäre staatliche Repressionen. Sie verpasse es, “essentielle Forderungen für das Gemeinwohl zu stellen”. Dies sei “ein Verrat an allen emanzipatorischen und linken Idealen”. Links sein heiße aber nicht, sich zum Erfüllungsgehilfen imperialer Politik zu machen. Das klingt zumindest nicht danach, als seien linke Ideen gänzlich ausgestorben.
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